Inwieweit ist Bewusstsein stets als Gerichtetheit auf etwas Bestimmtes zu verstehen? Ziel des vorliegenden Forschungsprojekts ist es, dieser Frage nachzugehen und zu untersuchen, inwieweit es Formen nicht-gegenstandsgerichteter Intentionalität gibt. Fraglich ist nämlich, ob sich Phänomene wie z.B. Versuche, Neugier, Stimmungen und Verstimmungen sowie andere Gefühlserlebnisse vor dem Hintergrund des Konzeptes gegenstandsgerichteter Intentionalität erschöpfend verstehen lassen. Um ein besseres Verständnis von gegenstandsgerichteter Intentionalität und möglicher Formen nicht-gegenstandsgerichteter Intentionalität zu gewinnen, soll das von Edmund Husserl beschriebene Konzept der ‚Tendenz‘, das er vor allem in den kürzlich erschienen Studien zur Struktur des Bewusstseins entwickelt, untersucht werden. Mit ‚Tendenz’ schlägt Husserl einen umfassenderen Begriff für Intentionalität vor, der auch Erlebnisse beinhaltet, die einer möglichen Gegenstandsgerichtetheit vorausgehen und somit den bewusstseinsmäßigen Grund ausmachen, aus dem heraus Gegenstandsbewusstsein möglich wird. Das Forschungsprojekt arbeitet die Bedeutung von ‚Tendenz’ für das Verständnis von bewusstseinsmäßiger Intentionalität und ihren verschiedenen Formen heraus, nicht nur in der phänomenologischen Philosophie, sondern auch allgemeiner in der aktuellen Philosophie des Geistes.
Forschungsfragen umfassen:
- Bietet eine Neubetrachtung von Intentionalität als Tendenz einen umfassenderen Ansatz der Genese und Struktur von objektgerichteter Intentionalität?
- Was ist die Rolle von Affektion und Tendenz in der Gestaltung von objektgerichteter Intentionalität?
- In welchem Ausmaß stellt Tendenz eine vereinheitlichende oder umfassende Struktur dar, die die verschiedenen Klassen intentionaler Akte – kognitive, emotionale und volitionale Akte – verbindet?
- Inwieweit erlauben die Begriffe von Affekt und Tendenz eine Neuausrichtung aktueller Debatten der Philosophie des Geistes zum Verständnis intentionaler Gerichtetheit?
- Wie ist die phänomenologische Struktur von emotionaler Intentionalität zu charakterisieren?